Der Kampf gegen die Feuerwalze
in der Nacht vom 10.01. auf den 11.01.1999

Mit Tränen in den Augen starrte Geschäftsfrau Manuela Voß in den Feuersturm. Ihr Lebensinhalt, das VoCo-Möbelhaus, ging in der Nacht zu gestern hinter den Kirschkaten in Flammen auf. Etwa 140 Feuerwehrleute verhinderten gerade noch, daß auch die Verkaufsräume niederbrannten. Das Lager war nicht mehr zu retten.
Sie schätzt, daß Möbel im Wert von anderthalb Millionen Mark ein Raub der Flammen wurden. Erst vor einem halben Jahr hat sie den noch stehenden Teil des Möbelhauses eröffnet. "Doch ohne Lagerhalle können wir dicht machen". 20 Angestellte verlieren wohl ihre Arbeit. "Viele im Alter zwischen 40 und 50 Jahren – wie sollen die wieder einen Job finden", sagt sie und weint. "Hoffentlich kriegen sie den Brandstifter."
Als erster hat Alex Roesler das Feuer bemerkt. Er wohnt in einer ehemaligen Hausmeisterwohnung, die direkt an die Lagerhalle grenzt. Schlaftrunken schreckt er Sonntag nacht gegen 1:30 Uhr hoch. Das Klirren von berstenden Scheiben hat ihn geweckt. Er schaut aus dem Fenster, sieht roten Feuerschein, ruft die Feuerwehr, streift hastig Hose und Jacke über, greift zu den wichtigsten Papieren – und zu seinen geliebten Gitarren – Axel Roesler ist mit Leib und Seele Musiker. Er stopft alles in sein Auto. Später verkohlen Tische, Schränke, Stühle. Löschwasser zerstört den Rest. Und draußen auf dem gegenüber liegenden Parkplatz sitzen Schaulustige in ihren Wagen. Keiner hilft.
Doch sie würden nur stören, als die Feuerwehren anrücken. Rund 140 Mann insgesamt. Sie schießen Wasser aus allen Rohren in das Flammenmeer, das von weither zu sehen ist. Ein eiskalter Wind facht das Feuer an. Es spuckt schwarzen Qualm, es verquirlt zu einer sich drehenden Walze, die alles schluckt, alles niedermacht.
Bis zu 15 000 Liter Wasser pro Minute werden durch die Schläuche gepumpt. Was nicht verdampft, gefriert auf dem Asphalt. Die Männer unter den Helmen mit den Atemschutzgeräten auf den Rücken halten von oben, von Drehleitern aus, von vorne, von der Seite hinein, so gut sie können.
Heisere Befehle bellen durch die Nacht. Ein verzweifelter Kampf. Die Flammen greifen auf das Nebengebäude über. Sie kommen übers Dach, nagen an den Wänden. Fensterscheiben bersten. Innen leuchtet es hell auf. Der Kampf gegen das Feuer geht in die entscheidende Phase. Jetzt kommt es darauf an, die Ausstellungshalle zu retten. Schläuche werden gezerrt. Männer sitzen hinter Wasserwerfern, zielen. Im Inneren des noch stehenden Gebäudes reißen andere die Wände ein, um von dort zu löschen. Seite an Seite mit der Berufsfeuerwehr greifen 15 freiwillige Wehren den Lindwurm an. Ein Feuerwehrmann kommt mit Rauchgasvergiftung ins Krankenhaus.
Gegen vier Uhr ist das Feuer besiegt. Eine apokalyptische Szene bleibt. In dunklen Gängen des geretteten Gebäudeteiles stehen Männer, halten auf züngelnde Brandnester. Wasser tropft von der Decke. Die hintere Wand, wo die Post ein Briefverteilungszentrum hatte, ist verbogen, droht jeden Moment einzustürzen. Und in Lübeck geht die Angst um. "Das ist kein Zufall", sagt eine Frau am nächsten Morgen. Sie steht vor der Ruine. "Immer brennt es dort, wo Materialien liegen, die schnell Feuer fangen", sagt die Anwohnerin. "Erst der Teppichmarkt, nun das Möbelhaus." Für sie steht fest: "Ein Feuerteufel geht um in dieser Stadt." 2Die Brandermittlungen bei Brandserien sind die schwierigsten überhaupt", sagt Winfried Tabarelli, Leiter der Polizei Direktion Schleswig-Holstein-Süd. Zwischen Hamburg und Fehmarn setzt er alle verfügbaren Kräfte zur Aufklärung ein.

Quellennachweis: Lübecker Nachrichten vom 12.01.1999

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